Tonalität – Warum Musik so klingt wie sie klingt (2/4)

Im ersten Teil dieser vierteiligen Reihe habe ich mich mit der grundlegenden Frage nach der heutigen Bedeutung von Tonarten befasst.

Camelot Wheel vs. Quintenzirkel

Der klassische Quintenzirkel

Dokumentiert gibt es den Quintenzirkel bereits seit dem 17. Jahrhundert. Er baut auf den als harmonisch empfundenen Tonverhältnissen auf und beschreibt die 24 gebräuchlichen (modernen) Tonarten in der westlichen Musik in Form von 12 Dur- und 12 Moll Tonarten. Die Anordnung im Quintenzirkel erfolgt typischerweise in einer Vorzeichen aufsteigenden Reihenfolge, wobei jeweils Dur- und Moll Tonarten gegenübergestellt werden, wodurch sich ein innerer (moll) und ein äußerer (Dur) Kreis ergibt.

Das Nähe- oder Distanzverhältnis zwischen zwei Tonarten im Quintenzirkel beschriebt wie gut sie miteinander harmonieren. Liegen zwei Tonarten dicht zusammen klingen sie harmonisch. Liegen die Tonarten jedoch weiter auseinander, wird der gemeinsame Klang als disharmonisch und unangenehm empfunden.

Camelot Wheel – der moderne Quintenzirkel

Auch in der modernen Musik ist der Quintenzirkel angekommen, hat jedoch ein neues Gesicht gewonnen in Form des Camelot Wheels.

Das Camelot Wheel ist nichts anderes als der klassische Quintenzirkel. Es werden die gleichen 24 Tonarten in den gleichen Bezug zueinander gesetzt. Anders ist jedoch, dass das Camelot Wheel die Tonarten nicht mehr mit „Klarnamen“ (wie beispielsweise C-Dur) ausweist, sondern in einen Farb-Buchstaben-Ziffern Code verschleiert.

Dies hat zur Folge, dass das klassische Verständnis von Tonarten durch „Keys“ ersetzt wird. Es kann also gut sein, dass wir demnächst nicht mehr in H-Dur komponieren, sondern in 1B (türkis).

Die Aufteilung des Camelot Wheels folgt dabei ganz einfach dem Ziffernblatt einer analogen Uhr, so dass sich 12 und 6 gegenüberstehen.

Camelot Wheel in der DJ Software

Die Farben und Keys sind inzwischen in allen gängigen DJ Softwares eingebettet. Beispielsweise Sertato DJ pro analysiert Tracks automatisch und weißt jedem Takt einen eigenen Farbbereich zu, basierend auf der in dem jeweiligen Takt gefundenen Tonart. Dies führt bei wilden Tonartwechseln zu teilweise sehr bunten Tracks.

Gleichzeitig analysiert Serato die Gesamttonart eines jeden Tracks und schreibt so neben dem Geschwindigkeitstag in BPM auch die Tonart, dem Camelot Wheel folgend, als „Key“-Tag.

Harmonic Mixing

In Zeiten von Laptop Party DJs deren meist genutzte Funktion die „Sync“ Taste ist, um die Tempi zweier Tracks automatisch anzupassen, bedarf es neuer Wege um sich als DJ von der breiten Masse abzusetzen.

Gleichzeitig war es schon immer das Ziel eines jeden DJs sein Set möglichst harmonisch und sich steigernd aufzubauen. Beide Aspekte kann das harmonic Mixing mit dem Camelot Wheel bedienen. Bleibt man in benachbarten „Keys“, so werden die Übergänge harmonisch klingen und das Set wird so eine harmonische Grundstimmung nicht verlieren. Will man nun „Spannung“ oder „Energie“ innerhalb des Sets aufbauen, so ist eine gute Wahl die „Keys“ langsam zu erhöhen.

Natürlich ist das eine sehr theoretische Aussage, die nur einen Grundgedanken beschreibt, der gelungene Mix ist hierdurch aber noch lange nicht garantiert.

Tonartwechsel

Natürlich können Tonartwechsel auch innerhalb eines Musikstücks dazu genutzt werden die Stimmung zu verändern oder eben einen Spannungsbogen aufzubauen.

Im Ersten Teil dieser Reihe habe ich die #-Dur Tonarten beschrieben – nachzulesen -hier-.

Die b-Dur Tonarten folgen nun hier:

F-Dur (1 b):

Mit nur einem b stellt F-Dur die Pastoraltonart dar, da viele Holzblasinstrumente das F als Grundton haben. F-Dur klingt höflich, friedlich aber auch temperamentvoll. Auf Grund der „Nähe“ von F-Dur zu Holzblasinstrumenten hat F-Dur auch eine ländliche Note. Nahezu jeder klassische Komponist bediente sich dieser Tonart, Bach, Beethoven, Brahms und nur ein paar „Bs“ zu nennen.

Klangbeispiel:

Bach – Kleines Präludium in F-Dur (BWV 566)

 

B-Dur (2 b):

Mit 2 b bildet B-Dur die Grundtonart vieler Blechbläser und klingt freudig, gewaltig oder großartig. Da wundert es auch nicht, dass viele Nationalhymnen in B-Dur geschrieben sind, Blasmusik und Spielmannszüge in B-Dur gestimmt werden aber auch in der modernen Popmusik von The Rolling Stones über Robbie Williams bis Rihanna Songs in B-Dur im Portfolio haben.

Klangbeispiel:

Haydn – Sinfonie 102

 

Es-Dur (3 b):

Häufig werden die 3b als die „Dreifaltigkeit“ gesehen und Es-Dur in einen tragisch göttlichen Zusammenhang gestellt, andere sehen eine ehr rohe oder grausame Stimmung in Es-Dur. Es-Dur ist die Subdominante der B-Dur und somit auch für viele Blechbläser eine angenehm zu spielende Tonart. Bach brannte diese Tonart auf die Dreifaltigkeit, während Schumann in der „Rheinischen Symphonie“ den feierlichen Charakter der Es-Dur Tonart herausarbeitete.

Klangbeispiel:

Bach – Präludium und Fuge in Es-Dur (BWV 522)

 

As-Dur (4 b):

As-Dur klingt weich und warm, oftmals wird diese Tonart auch als „verklärt“ oder „verträumt“ beschrieben. Gleichzeitig wird As-Dur auch als dunkle Tonart beschrieben die für Tod und Verwesung steht. Eine weite Verbreitung findet As-Dur in den Klavierstücken der Romantik.

Klangbeispiel:

Chopin – Polonaise Op. 43

 

Des-Dur (5 b):

Des-Dur klingt meist erhaben, wenig scherzhaft, oftmals exzentrisch aber auch warm und weich. Kein Wunder also, dass viele Stücke der Romantik sich der Des-Dur als bevorzugten Tonart bedienten.

Klangbeispiel:

Chopin – Preludium in Des-Dur (Op. 28 Nr. 15)

 

Ges-Dur (6 b):

Ges-Dur findet die weiteste Verbreitung in der Klaviermusik. Kompositionen für Orchester meiden diese vorzeichenreiche Tonart meist. Ges-Dur ist klanglich mit der Fis-Dur Tonart identisch und klingt eben so zart und weich.

Klangbeispiel:

Franz Schubert – Impromptu in Ges-Dur op. 90/3

 

Ces-Dur (7 b):

Die Ces-Dur Tonart, die harmonisch auch in H-Dur umgedeutet werden kann, wird auf Grund der vielen Vorzeichen als Tonart nur selten verwendet. Ces-Dur klingt ebenfalls oft roh und hart. Die Beschreibung zu H-Dur findest du im ersten Teil dieser Beitragsreihe -hier-.

Ces-Dur ist die Grundstimmung der in Spielmannszügen verbreiteten „Trommelpfeifen“.

Klangbeispiel:

Max Reger -Zweistimmiger Kanon Nr. 62 in Ces-Dur

 

Tonalität – Warum Musik so klingt wie sie klingt (Teil 1/4)

Wir empfinden bestimmte Tonfolgen als harmonisch oder unharmonisch, gleichzeitig haben Tonfolgen oft eine bestimmte Stimmung, doch warum ist das so? Und hat das in Zeiten von „Handy-Produzenten“ überhaupt noch eine Bedeutung?

Willkommen in der Welt der Tonarten

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Moll- und Dur-Tonarten. Dabei gilt die Faustregel, dass eine Moll-Tonart eher traurig und dunkel klingt und Dur-Tonarten fröhlich und klar klingen, doch ganz so pauschal kann man das nicht sagen, denn letztlich ist auch die Wahrnehmung immer subjektiv.

Tonarten haben auch heute (noch) ihre Daseinsberechtigung

Ob bewusst oder unbewusst, bewegen wir uns immer noch meistens in zumindest verwandten Tonarten innerhalb eines Musikstücks. Wahrscheinlich ist die Anzahl der Produzenten, die sich bewusst für eine Tonart entscheiden und ein Stück in dieser Tonart komponiert – vor allem in der modernen Musik – verschwindend gering. Dennoch finden sich in fast jedem Musikstück Tonfolgen, die sich Tonarten zuordnen lassen.

Sehr verbreitet ist bei DJs inzwischen das sogenannte „Harmonic Mixing“, das genau auf der Tonart-Gleichheit bzw. -Ähnlichkeit aufbaut. Die gängigen DJ-Software-Produkte wie Serato oder Traktor analysieren Tracks automatisch und weisen ihnen Tonarten-Tags zu. Gleichzeitig sind die oft zu sehenden Farben nicht einfach bedeutungslose Farbmischungen, sondern folgen dem Farbcode des Camelot – Wheels (moderner Quintenzirkel) – hierzu jedoch an anderer Stelle mehr. 

Wird sich auch das menschliche Gehör verändern?

Mit Sicherheit werden wir in einigen Jahrzehnten andere Tonfolgen als harmonisch empfinden. Vielleicht werden neue Tonarten entstehen und die jetzigen teilweise aufgelöst werden. Denn ähnlich wie das visuelle Empfinden von Verhältnissen im Wandel ist – weg vom Goldenen Schnitt, hin zu 16:9 – wird auch das, was wir hören, unser Harmonieempfinden beeinflussen.

Solange wir aber noch die klassischen Tonfolgen als harmonisch empfinden, werden wir auch weiter mit den bekannten Tonarten und Harmonielehren Musik beschreiben können. Die Bedeutung der klassischen Tonarten wird also auch in der heutigen Zeit von „Handy-Produzenten“ weiterhin von Bedeutung bleiben.

Hier eine kurze Übersicht über die Stimmungen der #-Dur Tonarten:

C-Dur:

Keine Vorzeichen, die Reine, die Unschuldige – die Naive.

Für manche Musiktheoretiker auch der Inbegriff der musikalischen Rückständigkeit, aber von wegen. Zwar mag C-Dur ohne Vorzeichen auskommen, aber dennoch verwendeten Bach, Beethoven und Mozart diese Tonart gerne und gaben ihr teils sogar einen kriegerischen, groben Charakter.

Klangbeispiel: Mozart – Piano Sonata in C- Dur (K. 545)

G-Dur (1 #):

G-Dur ist eine freudige Tonart, oft wird sie mit Idylle, schönen Landschaften und dem süßen Leben assoziiert. Auch Themen wie Liebe, Leidenschaft und Freude werden oft mit dieser Tonart verbunden. Chopin, Bach und Beethoven haben sich auch dieser Tonart gern bedient.

Klangbeispiel: Chopin – Ballade No. 1 in G-Dur (Op.23) 

D-Dur (2#):

D-Dur – die festlichste Tonart. Beliebt ist sie im Barock und der irischen Folklore. Barocktrompeten sind „in D gestimmt“, aber Streichern ist diese Tonart auch gut gelegen. Neben dem festlichen Charakter kann in D-Dur aber auch gerade durch Blechbläser eine sehr kriegerische Stimmung ausgedrückt werden. Bekannt sind hier vor allem Werke von Bach und Pachelbel.

Klangbeispiel: Pachelbel – Kanon in D-Dur (aka DAS Hochzeitlied!) 

A-Dur (3#):

A-Dur ist eine festliche, freudig ländliche Tonart. Gerade bei Gitarristen ist diese Tonart beliebt, da die Grundkadenz einfach die drei tiefsten Saiten der Gitarre sind. Mozart hat beispielsweise einige Sonaten in A-Dur komponiert.

Klangbeispiel: Mozart – Piano Sonate Nr. 11 in A-Dur (K.331) 

E-Dur (4#):

E-Dur wird als laut und lärmend beschrieben und drückt so kraftvolle und starke Gefühle wie Zufriedenheit und Glück aus. Nicht wenig überrascht, dass Chopin wie auch Schubert sich dieser Tonart bedienten.

Klangbeispiel: Schubert – Sinfonie Nr. 7 in E-Dur 

H-Dur (5#):

H-Dur bildet die Dominante Tonart zur E-Dur Tonart. H-Dur klingt oft roh und hart. Wagner wie Brahms in seinen frühen Werken nutzten diese Tonart, auch in der Kammermusik findet H-Dur Tonart seinen Einzug.

Klangbeispiel: Brahms – Klaviertrio Nr. 1 

Fis-Dur (6#):

H-Dur bildet die Subdominante zur Fis-Dur Tonart. Oft wird sie als zart und lieblich beschrieben. Fis-Dur findet jedoch nur selten Verwendung, und beschreibt dann meist Wasser oder fließende Szenen, wie beispielsweise bei Bartholdy oder Liszt.

Klangbeispiel: Liszt – Klavierstück in Fis-Dur S. 193 

Cis – Dur (7#):

Fis-Dur bildet die subdominante Tonart zur Cis-Dur, mit sieben Kreuzzeichen (cis-dis-eis-fis-gis-ais-his) ist diese Tonart verschwindend gering verbreitet. Oft haben Stücke, auch wenn sie eigentlich in Cis-Dur notiert werden sollten, eine Notation in Des-Dur (5 b). Die beiden Tonarten sind zwar nicht in der Tonfarbe, dafür aber in der Enharmonik identisch.

Bekannt sind vor allem Bachs Präludium aus dem wohltemperierten Klavier.

Klangbeispiel: Bach – Präludium III in Cis-Dur 

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Everywhere is Sound

Fluch oder Segen? Heutzutage ist es quasi an jedem Ort möglich, mit einfachen Mitteln Musik zu produzieren. Gleichzeitig ist die Verfügbarkeit von Musik gerade in den letzten Jahren dank Streaming- und Downloadanbietern wie Spotify oder Napster explosionsartig gestiegen – und das fast kostenlos.

Musik jederzeit kostenlos downloaden und hören

Mit Softwarelösungen wie Logic Pro X oder Steinbergs Cubase steckt nun in jedem mittelgut ausgerüsteten Laptop ein Homestudio. Nachdem die Musik auch nur noch selten auf den dicken Boxen im Wohnzimmer vom Konsumenten angehört wird, ist es inzwischen auch wichtiger, dass der Sound auf den Apple AirPods satt ist. Das Arrangement muss also nicht mehr durch Finessen im Extremfrequenzbereich der HiFi Anlagen überzeugen.

Der Komponist – heute bezeichnet er sich dann meist als „Produzent“, kann also wieder mit seinem Medium der Wahl von klassischem Notenpapier und Füllfederhalter oder eben dem Laptop auf der Wiese am Waldrand sitzen und die nächsten „Klassiker“ komponieren.

Vielleicht werden dann in 100 Jahren in einem Opernhaus wieder romantische Stücke von Bushido, Avicii und Co. aufgeführt und man erzählt sich Geschichten wie die Stücke „komponiert“ wurden, ganz so wie heute bei Mozart, Strauß und Co.

Back to the nature – auch in der Musik.

 

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